„Und, hast du schon einen neuen Job?“ – Linas Frage hallt nach. Ich weiß genau, worauf sie anspielt.
Ich hatte in den letzten Jahren keinen Job länger als 3 Jahre ausgehalten; die meisten eher etwa ein Jahr. Und natürlich wusste ich auch, dass es nicht immer nur am Job lag, sondern auch an mir. Ich gehe gerne. Wenn es zu mühsam wird, gehe ich. Damit meine ich nicht die Arbeit an sich. Es sind die Menschen, die ich verlasse. Das soziale Gefüge.
Mein eigenes schallendes Lachen über Linas forsche Frage holt mich zurück aus meiner Gedankenwelt.
Ich sage: „Nein.“ Meine aber jein, denn ich habe immer eine Exit-Strategie. Sei es ein kleines Nebenprojekt oder dass ich mir andere Unternehmen, die mich reizen genauer ‚anschaue‘. Für mich gehört diese Art der subjektiv empfundenen Absicherung dazu. Ich habe immer gerne einen Notfallplan, den ich aus der Schublade ziehen kann, aber nicht unbedingt umsetzen will. Zumindest nicht jetzt, weshalb mein „Nein“ auch nicht gelogen ist.
Während wir also nun über die Kinder und das Übliche sprechen, räume ich die Spülmaschine aus und ein, versuche den Lärm aus dem Wohnzimmer, das Gezanke zu ignorieren und bin froh, dass Lina immer noch an meiner Seite ist. Und das nach all den Jahren. Nach all den Monaten der Stille. In einem Leben voller Krisen. 2020, 2021, 2022. Wer diese Jahre miterlebt hat, weiß, welche ‚Krisen‘ gemeint sein könnten.
Lina ist Therapeutin. Also nicht meine. Für mich ist sie eine sehr gute Freundin – sie begleitet mich jetzt schon seit etwa 20 Jahren. Wir waren unsere Trauzeuginnen, haben einiges, aber nicht alles in unserem Leben gemeinsam erlebt. Meine größten Niederlagen, meine größten Schmerzen habe ich jedoch immer allein austragen. Wie ein verletztes Tier, das seine Wunden allein in einer Höhle leckt. Sie hat dieses Muster nur allzu oft beobachtet und mitgetragen. Und ich kenne ihre Anrufe nach Monaten der Funkstille mit diesem verschmitzten „Na?“, sobald man ran geht. Meist reichen nur ein paar Worte, um zu wissen, wie es der anderen ergangen ist.
Wir haben uns inzwischen über ein Jahr nicht gesehen. Sie ist mittlerweile zweifache Mutter. Ihr zweites Kind habe ich noch nicht kennengelernt, ihr erstes habe ich kaum gesehen. Zeit mit jungen Eltern zu verbringen ist, sagen wir mal, eher schwierig. Sind beide Parteien junge Eltern, berufstätig, scheint es schier unmöglich sich regelmäßig zu sehen.
Lina fragt mich, ob ‚das‘ irgendwann besser wird. Und ich solle einfach JA sagen, auch wenn es nicht stimmt. Und ich solle ja nicht sagen, dass es ‚anders‘ wird. Ich lache – eher verzweifelt und mitleidend als erheitert. Statt zu antworten, stelle ich eine Rückfrage (meine Spezialität): „Meinst du dieses Auflösen der eigenen Identität, wenn man Mutter wird?“. Es folgt verzweifeltes Gelächter – und ein ersticktes JA.
„Ja, es wird besser.“ werfe ich ihr entgegen.
Spoiler alert:
Nein, wird es nicht. – Es wird anders.
Eintausend Gedanken fallen über mich her
– Haller mit “Irgendwann glücklich” –
In so ziemlich jeder Sekunde
Ich wüsste gerne, wie man sich dagegen wehrt
Und immer wenn ich ankommen könnte
Dreh ich lieber noch eine Runde
In meinem Teufelskreisverkehr
Links zum Text:
Haller – „Irgendwann glücklich“ auf Spotify