Zum Wochenende kommt hier ein kleiner Lernnugget um die Ecke, diesmal mit:
Die Kunst des Unterscheidens – Der erste Schritt zum bewussten Beobachten
In unserer komplexen Welt ist die Fähigkeit, genau zu beobachten, wichtiger denn je.
Wir alle konstruieren unser Bild der Welt (durch das Vollziehen „bestimmter kognitiv-affektiver Prozesse“ – F.B.Simon) – indem wir Dinge unterscheiden und bezeichnen.
Aber was bedeutet „Unterscheiden“ eigentlich?
Stell dir einmal vor, wie du einen Kreis auf ein Blatt Papier zeichnest. Dieser Kreis trennt das Blatt in zwei Bereiche: innen und außen. Genauso funktioniert unser Denken (natürlich sehr vereinfacht dargestellt):
Wir „zeichnen“ gedankliche Kreise um bestimmte Dinge, Zustände oder Ideen. Was innerhalb dieses Kreises liegt, nehmen wir bewusst wahr. Alles außerhalb des Kreises bleibt für uns (zunächst) unbeachtet.
„Das Ziehen von Grenzen einerseits und das Auflösen von Grenzen andererseits bildet nicht nur das Grundprinzip allen Beobachtens, sondern jeder Strukturbildung.“ (Fritz B. Simon)
Warum ist das wichtig?
👉 Es bestimmt, was wir wahrnehmen.
👉 Es beeinflusst unsere Entscheidungen.
👉 Es formt unsere Beziehungen und Kommunikation.
Unterscheiden stellt jedoch noch kein Beobachten dar, denn dazu braucht es „das doppelte Unterscheiden“.
Stell dir nun einmal vor, du zeichnest zwei Kreise auf das Blatt Papier. Der erste steht für „ein Buch“ – du unterscheidest also ein Ding vom anderen: Das Buch vom Rest, dem Außen; der zweite Kreis steht für „Der Hobbit“ – das Buch ist also gekennzeichnet.
Basierend auf den Konzepten von Fritz B. Simon und George Spencer Brown lassen sich die sog. Phänomenbereiche „Unterscheiden“ (distinction) und „Bezeichnen“ (indication) wie folgt erklären:
Unterscheiden ist der grundlegende Akt, etwas von etwas anderem abzugrenzen, z.B. ein Buch, in Abgrenzung zu dem Tisch, auf dem es liegt. Man erschafft eine Grenze zwischen innen & außen. Dieser Prozess ist die Basis dafür, wie wir die Welt wahrnehmen und strukturieren.
Nachdem wir etwas unterschieden haben, können wir es kennzeichnen; der Akt des „Bezeichnens“. Wir geben dem, was wir unterschieden haben, eine Bedeutung oder einen Namen geben, z.B. mit „Der Hobbit“.
Diese beiden Prozesse sind untrennbar miteinander verbunden. Wie Spencer Brown es ausdrückt: „Wir können keine Bezeichnung vornehmen, ohne eine Unterscheidung zu treffen.“ Zusammen bilden sie die Grundlage dafür, wie wir unsere Welt konstruieren und verstehen.
Bewusstes Unterscheiden ist also nur der erste Schritt zum Beobachten. Wenn wir verstehen, wie wir unterscheiden, können wir anfangen, unsere Wahrnehmung zu erweitern und neue Perspektiven zu entdecken.
Literaturtipp 📚:
Fritz B. Simon mit „Einführung in die (System-) Theorie der Beratung“