Die Bundestagswahl ist vorbei und in meinem Bauch breitet sich das ungute Gefühl aus, dass der wahre Kampf gegen Rechts erst jetzt beginnt. Während Friedrich Merz die CDU eindeutig nach rechts rückt , in meinen Social-Media-Feeds Bilder von ihm und (s)einer rein männlichen Runde kursieren und gleichzeitig News über Trumpland lese – über seinen Einfluss, das Ende von Abtreibungsrechten, Frauen, die wegen Fehlgeburten des Mordes angeklagt werden – wird mir immer klarer:
Der Widerstand gegen Rechts ist vor allem ein feministischer.
Ich beobachte aus meinem (noch?) privilegierten Leben heraus, wie in jedem nach rechts driftenden Land feministische Errungenschaften bedroht werden. Rechtspopulismus erodiert hart erkämpfte Frauenrechte, Unterdrückung wird schrittweise normalisiert.
Merz ist bekannt für seine eher konservativen Ansichten. Viele sind der Annahme, dass er sich mit aller Macht gegen die Abschaffung des §218 stemmen wird. Ein Mann, der nicht viel von verpflichtender Parität auf Wahllisten hält. Solche „kleinen“ Beobachtungen lassen nichts Gutes erahnen.
Nach fast zwei Wochen nach der Wahl, wird mein flaues Gefühl in der Magengrube immer flauer. Ich weiß nicht, wie viele Beiträge ich zur Wahlanalyse gelesen habe, aber eine Aussage triggert mich immer wieder:
Rechts wählen vor allem Männer! (Ja, nicht nur. I know.)
In der Beobachtung sind ein Gros der Rechtswählenden eher alleinstehende, männlich sozialisierte Personen; die häufige Annahme, dass sexuelle Frustration ein Hauptgrund sei, erscheint mir zu einfach, zu simpel, zu polemisch. Diese Annahme schwappte mir in faste jedem Gespräch über die Wahl entgegen. Gefolgt mit dem Wunsch, den Osten einfach wieder einzumauern. – Aber ich schweife ab.
Was ich auch wahrnehme:
Weiblich sozialisierte Personen werden unterschwellig dafür verantwortlich gemacht, dass rechtswählenden Personen der Halt fehle, emotional.
Ja, Frauen. Sie wahren den sozialen Frieden! Als Stabilität für den „labilen Mann“? Wo sie sind, herrscht Frieden!
*ironyoff
Können wir bitte damit aufhören? Sind Frauen in unserer Gesellschaft immer noch für die emotionale Balance des aggressiven Mannes verantwortlich? Also wirklich?
*Empörungoff
Sollte die Frage nicht viel eher lauten:
Wie lernen männlich sozialisierte Personen sich selbst zu genügen? Sich selbst zu regulieren? Wie können wir damit aufhören, weiblich gelesene Personen verantwortlich zu machen für das Verhalten männlich gelesener?
Oder noch grundsätzlicher:
Wie können wir Menschen – ungeachtet ihrer Geschlechtsidentität, ungeachtet ihres Hormonspiegels – dazu befähigen, ihre Fähigkeiten in Kommunikation, Interaktion und Selbstreflexion zu verbessern?
Ich möchte in meiner hetero-normativen Partnerschaft nicht „allein“ verantwortlich sein für den sozialen Frieden – nur meines Geschlechts wegen; wohl aber möchte ich als gestaltend wahrgenommen werden. Gleichberechtigt. Gemeinsam. Das betrifft am Ende meine Beziehung(en) sowie (Zivil-) Gesellschaft im Allgemeinen.
Ja, I got it: Die Beobachtung ist, Frauen wählen eher progressiv!
So auch ich. Für eine offene Zivilgesellschaft, für einen bewohnbaren Planeten, für bezahlbare Mieten und alles dazwischen!
Die zentrale Frage, die mich bewegt, ist eher: Warum ist das so?
Welche Muster bringen vor allem weiblich gelesene Personen dazu? Und welche Muster männliche? Und wie durchbrechen wir diese? Und sind es eben eher weiblich gelesene Personen, also diejenigen, die (wie beobachtet) eher zu einem progressiven Wahlverhalten, Haltungen & Werten tendieren, die diese Muster durchbrechen können? Und ist es eben genau deshalb ein feministischer Kampf, wenn wir über den Widerstand gegen Rechts sprechen?
Ich habe auf all diese Fragen (noch) keine Antwort.
Was ich aber weiß, ist, dass nicht nur die Gegenwart, sondern vor allem auch die Geschichte zeigt, dass rechte Regime häufig die Unterdrückung von Frauen als Instrument zur Verbreitung ihrer Ideologie nutzten. So werden und wurden traditionelle Geschlechterrollen instrumentalisiert – aktuell verbreiten sich die modernen #TradWifes – ein kleiner Ausflug auf TikTok & Insta reicht, um einen Einblick in diese Welt zu erhaschen.
Rechte Politik bedeutet (fast) immer die Einschränkung von Frauenrechten.
Rechte Regime propagieren auch heute traditionelle Geschlechterrollen, in denen Frauen auf ihre Rolle als Mütter und Hausfrauen reduziert werden. Im nationalsozialistischen Deutschland wurde dies besonders deutlich: Hitler erklärte 1935, dass die Gleichberechtigung von Frauen ihre Rechte schwäche und sie in Situationen bringe, in denen sie nur unterlegen sein könnten. Das Nazi-Regime förderte aktiv ein Frauenideal, das sich auf Mutterschaft und Häuslichkeit konzentrierte.
Aber es gibt noch weitere Beobachtungen, zum Beispiel das Dauerthema: Kontrolle über “Reproduktion“. Die Kontrolle über die Fortpflanzung von Frauen war und ist oft ein zentrales Anliegen rechter Regime. Hier nur ein kleines Beispiel:
Im faschistischen Italien unter Mussolini wurden Abtreibungen verboten und der Zugang zu Verhütungsmitteln eingeschränkt. Frauen, die sechs oder mehr Kinder gebaren, erhielten finanzielle Belohnungen. Die Fruchtbarkeit der Frauen wurde als “öffentliches Gut” betrachtet, das dem Staat gehörte.
Und auch hier:
Das aktuelle Abortion Rights „Dilemma“ (oder besser die Katastrophe) in den USA lässt mich erschaudern.
… auch die in Deutschland fortwährende Diskussion rund um den §218; das Verschwinden, ja Zurückdrängen von Abtreibungspraxen, der viel zu starke Einfluss von „christlichen“ Klinikbetreibern auf die Versorgung weiblich gelesener Personen. Hier gibt es ein wunderschönes Beispiel im ruralen Raum aka Westfalen: die Fusion von Krankenhäusern in Lippstadt hat ein kirchlich verordnetes Abtreibungsverbot zum Ergebnis. Aber zum Glück auch den Protest der Ärzt:innen inkl. einer Klage vor Gericht.
Es gibt unzählige Beispiele dafür, dass eine Zunahme der Kontrolle über den weiblichen Körper uns alarmieren sollte.
Am Ende sind es diese kleinen, stetigen Veränderungen, diese fast unbemerkten, die einen Wandel schleichend vollziehen. Einen Wandel, den wir nicht den Rechten überlassen dürfen.
Vor allem, wenn wir uns für Selbstbestimmung aussprechen.
Frauenrechte sind Menschenrechte!
Ja! Frauenrechte sind integraler Bestandteil der universellen Menschenrechte:
Ja, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 bekräftigt, dass alle Menschen “frei und gleich an Würde und Rechten geboren” sind – unabhängig vom Geschlecht! Dennoch erfahren weiblich gelesene Frauen weltweit immer noch tagtäglich Diskrimierungen, ja sogar schwere Menschenrechtsverletzungen. Sie sind häufiger von Armut, mangelndem Zugang zu Gesundheitsversorgung und ungleicher Verteilung von Ressourcen betroffen. Die Zahlen zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland zeigen einen besorgniserregenden Anstieg in verschiedenen Bereichen.
Hier sind einige Websites, die die steigenden Zahlen von Gewalt gegen Frauen in Deutschland veranschaulichen:
- Bundeskriminalamt (BKA):
Jährliche “Kriminalstatistische Auswertung zu Partnerschaftsgewalt” mit detaillierten Daten und Grafiken – https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lagebilder/Partnerschaftsgewalt/partnerschaftsgewalt_node.html - Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE):
Bietet ein umfassendes Länderprofil für Deutschland mit aktuellen Statistiken zur geschlechtsspezifischen Gewalt – https://european-union.europa.eu/institutions-law-budget/institutions-and-bodies/search-all-eu-institutions-and-bodies/european-institute-gender-equality-eige_de - Statista:
Präsentiert Diagramme und Infografiken zur Entwicklung der Gewalt gegen Frauen in Deutschland. https://de.statista.com/themen/6635/gewalt-gegen-frauen/ - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): Stellt regelmäßig aktualisierte Berichte und Studien zur Verfügung. https://www.bmfsfj.de/
- Femicide Observation Centre Germany (FOCG):
Dokumentiert Femizide in Deutschland und verdeutlicht tödliche Gewalt gegen Frauen. https://focg.org/
Ja, Gewalt gegen Frauen (in Deutschland) stellt ein zunehmendes Problem dar.
Intersektionalität des Kampfes
Bitte was? Jap, Intersektionalität beschreibt, wie sich verschiedene Formen der Diskriminierung überschneiden und verstärken. Der Ansatz stammt aus dem Schwarzen Feminismus und der afroamerikanischen Arbeiter:innen-Bewegung. Was ich daran schätze und unterstütze:
Feministische Bewegungen verbinden mit diesem Ansatz den Kampf gegen Rechtsextremismus mit feministischen Anliegen! Intersektionaler Feminismus setzt voraus, dass Feminismus inklusiv ist. Er erkennt an, dass Migrantinnen und geflüchtete Frauen oft mit mehrfachen Diskriminierungen konfrontiert sind – nicht nur aufgrund ihres Geschlechts, sondern auch wegen ihrer Herkunft oder Hautfarbe.
Für mich geht es aber vor allem auch um Multiperspektivität.
Es geht darum, dass meine Diskriminierungserfahrung sich nicht mit deiner decken muss, aber wir alle darin Erfahrungen machen und Mehrfachdiskriminierung einfach’n hartes Brett sind!
Und wie zeigt sich Intersektionalität?
Hier ein paar Beispiele:
- Eine schwarze Frau mit Behinderung erlebt möglicherweise dreifache Diskriminierung: Rassismus, Sexismus und Ableismus.
- LGBTIQ+ Personen mit Migrationshintergrund können sowohl Homo- oder Transphobie als auch fremdenfeindliche Vorurteile erfahren.
- Ältere Frauen sind oft von der Überschneidung von Altersdiskriminierung (Agism) und Sexismus betroffen.
Verschiedene Diskriminierungsformen können sich gegenseitig verstärken und können zu sehr individuellen Herausforderungen führen.
Und was bedeutet dies nun für den Kampf gegen Rechtsextremismus?
Die intersektionale Perspektive ist besonders wichtig im Kampf gegen rechtsextreme Ideologien, denn sie deckt auf, wie rechtsextreme Gruppen verschiedene Formen von Diskriminierung nutzen, um Menschen gegeneinander auszuspielen. Sie ermöglicht es, Verbindungen zwischen verschiedenen Unterdrückungsformen zu erkennen und gemeinsam dagegen vorzugehen. Sie fördert Solidarität zwischen verschiedenen marginalisierten Gruppen und stärkt so den Widerstand gegen rechtsextreme Tendenzen.
Und was bedeutet das alles nun konkret?
Womit sollten wir uns mehr beschäftigen, welche Themen treiben und vor allem uns wie beteiligen? Meine Vorschläge:
- Bildet Bündnisse mit progressiven Kräften! Engagiert euch in Gruppen oder Initiativen, die verschiedene Formen von Diskriminierung gemeinsam bekämpfen. Unterstützt Projekte, die Brücken zwischen verschiedenen Communities bauen.
- Es braucht mehr Ressourcen für Soziales, Bildung und Gesundheit. Engagiert euch genau in diesen Bereichen. Wartet nicht darauf, dass „die Politik“ etwas ändert, verbessert, … . Startet in eurem Dorf, Veedel, Bezirk kleine Projekte, macht bei anderen mit – mit dem was ihr könnt! Das kostet eher Zeit als Geld. Fangt an, eine vitale Community um euch herum zu bilden!
- Setzt euch – vor allem in eurer direkten Nachbarschaft – für körperliche Selbstbestimmung ein.
- Last but not least: Be bold & brave.
Der Kampf, der Widerstand gegen Rechts ist vor allem ein feministischer.
Punkt.