Kultur verstehe ich als die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Werten und Normen. Nein, diesmal meine ich nicht den Schatten der Organisation mit dem Begriff „Kultur“. Ich meine viel mehr den Begriff, den wir nutzen, wenn wir „Kunst & Kultur“ sagen. Ich meine aber auch und insbesondere Kulturbetriebe.
Und wie sollte es anders sein:
Die Systemtheorie bietet einen wertvollen Rahmen, um Kunst- und Kulturbetriebe zu analysieren und Innovationspotenziale zu identifizieren (ja, auch für kleine Ensembles, die von Kürzungen der Kulturförderung bedroht sind). Und wir meiner Ansicht nach sollten wir genau dort wachsam sein, denn Kunst & Kultur sind ein wichtiger Bestandteil unserer Zivilgesellschaft. Ein Spiegel. Diese Funktion gilt es zu erhalten.
Die Systemtheorie betrachtet Kunst und Kultur als eigenständige soziale Systeme mit spezifischen Kommunikationsformen und Dynamiken.
Auch für z.B. kleine Ensembles, wie hand werk aus Köln, bedeutet dies, dass sie Teil eines größeren Kultursystems mit vielfältigen Wechselwirkungen sind. Ihre Existenz hängt von Interaktionen mit anderen Systemen wie Politik, Wirtschaft und Publikum ab. Veränderungen in einem Teil des Systems (z.B. Förderkürzungen) wirken sich auf das Gesamtsystem aus.
Durch die Anwendung systemtheoretischer Ansätze (so meine Sicht) können auch kleine Ensembles ihre Position im Kulturbetrieb neu definieren, innovative Wege der Finanzierung erschließen und ihre Überlebensfähigkeit in Zeiten unsicherer Förderung stärken. Dies erfordert jedoch ein Umdenken und die Bereitschaft, etablierte Strukturen und Denkweisen zu hinterfragen.
Die erste Frage, die gestellt werden könnte, ist: Wie kann man denn nun Hebel zur Veränderung identifizieren?
Zum Beispiel durch „Beobachten“ – wer hätte das gedacht:
- Wo ist der Informationszugang und -fluss innerhalb des Kultursystems;
- welche Machtstrukturen und Entscheidungsprozesse sind beschreibbar;
- welche Ziele und Prioritäten und
- welche grundlegenden Denkweisen und Paradigmen gibt es im System?
(Kleine) Ensembles können diese Hebelpunkte nutzen, um ihre Position zu stärken und neue Wege der Finanzierung zu erschließen.
Innovation durch „Systemisches Denken“ ermöglicht es, die Komplexität des Kulturbetriebs zu erkennen, oder auch anzuerkennen, und neue Lösungsansätze zu entwickeln:
- Fokussierung auf gewünschte Ergebnisse statt auf institutionelle Interessen
- Wertbasierte Entscheidungen anstelle starrer Regulierungen
- Nutzerorientierte Gestaltung von Funktionen und Organisationen
Die Systemtheorie betont die Notwendigkeit adaptiver Managementansätze:
- Kontinuierliche Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen
- Flexibilität in Bezug auf Finanzierungsquellen und Geschäftsmodelle
- Entwicklung von Szenarien und Notfallplänen
Systemisches Denken kann kleinen Ensembles helfen, ihre Resilienz zu stärken, durch:
- Diversifizierung von Einnahmequellen
- Aufbau starker Netzwerke und Partnerschaften
- Entwicklung innovativer Formate und Geschäftsmodelle
Und ja, die Systemtheorie ermöglicht es, die kulturelle Ökologie als Ganzes zu betrachten:
- Entwicklung von Strategien zur Stärkung des gesamten Kultursystems
- Verständnis der Interdependenzen zwischen verschiedenen Kulturakteur:innen
- Identifikation von Nischen und Alleinstellungsmerkmalen
Mein Fazit?
Kunst und Kultur sind zentrale Bestandteile unserer Zivilgesellschaft – systemrelevant im eigentlichen Sinne. Die Systemtheorie bietet einen wunderbaren Rahmen, um die komplexen Dynamiken von Kulturbetrieben zu verstehen und gezielt Innovationspotenziale zu erschließen. Und ja, insbesondere kleine Ensembles profitieren davon, ihre Rolle als Teil eines größeren, vernetzten Kultursystems zu begreifen. Veränderungen wie Förderkürzungen wirken niemals isoliert, sondern beeinflussen das gesamte System. Systemisches Denken ermöglicht es, durch gezielte Beobachtung von Informationsflüssen, Machtstrukturen und Denkweisen wirkungsvolle Hebel zur Veränderung zu identifizieren.
Innovation entsteht, wenn etablierte Muster hinterfragt und neue Paradigmen zugelassen werden. Dabei zählen nicht Größe oder institutionelle Stabilität, sondern Anpassungsfähigkeit:
Flexibilität, starke Netzwerke und kreative Finanzierungsstrategien stärken die Resilienz.
Ziel ist nicht nur das Überleben einzelner Akteur:innen, sondern die nachhaltige Stärkung des kulturellen Ökosystems insgesamt. Die Systemtheorie liefert dafür zentrale Impulse – und stellt nicht die Frage „ob“, sondern „wie“ Zukunft im Kulturbetrieb gestaltet werden kann.